Dass ein Motorradmotor 100.000 Kilometer durchhält, ist inzwischen nicht mehr wirklich erwähnenswert. Noch vor 30 bis 40 Jahren war das anders und ein Dauertest der Motorradzeitschriften endete meist spätestens nach 25.000 Kilometern. Nach dieser Laufleistung gab es tatsächlich bisweilen ernste Schäden zu verzeichnen.
Später wurde man mutiger und die CB500 gehört zu den Motorrädern, die über eine Distanz von 50.000 Kilometern den Dauertest durchliefen. Immerhin traut Honda dem Twin Drehzahlen bis zu 10.500 Umdrehungen zu -und nicht wenige Fahrer nutzen diese Drehzahlen auch regelmäßig. Da wäre es immerhin denkbar, dass der Verschleiß höher ist als bei Tourenmaschinen mit doppeltem Hubraum.
Durch den Kauf einer Unfallmaschine von „taxman“, einem Forenmitglied von http://www.cb-500.de, ergab sich die Möglichkeit, einmal selbst einen Motor nach 100.000 Kilometern unter die Lupe zu nehmen. Am 5.7.2012 trafen sich Gisbert („gmbo“), Chris („ChrisR80RT“) und ich (Michael, „Flyingbrick“) und setzten diesen Plan in die Tat um.
„Die Drei von der Tankstelle“: Gisbert, Chris, Micha
Vorausschicken muss man, dass der Motor nach Aussage des bisherigen Fahrers einwandfrei lief.
Die Zerlegung konnte weitestgehend mit Standardwerkzeug durchgeführt werden. Genutzt wurden Knarrenkästen mit 1/4“, 3/8“ und 1/2“ sowie Steck-, Maul- und Ringschlüssel. Einziges Spezialwerkzeug war ein Abzieher für den Lichtmaschinenrotor, den Chris sich angefertigt hatte. Er ist dann notwendig, wenn der Lichtmaschinenrotor von der Kurbelwelle gezogen werden soll, etwa, um an den Anlasserfreilauf zu kommen oder den Höhenschlag der Welle zu prüfen. Zum Ausbau des Steuerkettenspanners nutzten wir einen Blechschlüssel, wie er auch neuen Spannern beiliegt.
Unsere Prüfmethoden: Außendurchmesser wurden mit verschiedenen Bügelmessschrauben geprüft. Innendurchmesser, z.B. der Zylinderdurchmesser, mit einer Messuhr. Das Spiel zwischen zwei Teilen wurde mit Plastigauge ermittelt. Nicht unwichtig war aber auch die Überprüfung der Bauteile per Augenschein. Für Teile wie die Steuerketten-Spannschiene existieren beispielsweise keine Verschleißmaße.
Die erste Überraschung wartete schon beim Lösen der Zündkerzen. Der Motor hatte ausgebaut im Freien gestanden. Dabei waren natürlich keine Kerzenstecker montiert, so dass das Regenwasser im Kerzenschacht stand. Der Zylinderkopf hat, um das zu verhindern, Ablaufbohrungen. Die allerdings waren, wie so häufig, verstopft und mussten erst freigepustet werden, damit das Wasser ablief. Egal? Nicht ganz. Die rechte Kerze war nämlich nicht ganz festgezogen, wodurch etwa eine Espressotasse voll Wasser oberhalb des Kolbens im Motor stand!
Die Kerzen waren übrigens Iridium-Kerzen mit dem höheren 9er Wärmewert (CR9EHIX-9). Sie waren deutlich verrußt und ich denke, dass die Kerzen mit Standardwärmewert 8 (CR8EH-9 oder CR8EHIX-9) für Normalfahrer die bessere Wahl wären. Da beide Kerzen zwar schmutzig und rostig waren, der Elektrodenabstand aber noch bei optimalen 0,9mm lag (kein Elektrodenabbrand), habe ich eine der Kerzen mal zum Test in das Ultraschallbad gelegt. Sie kam im optischen Neuzustand wieder heraus, selbst die Korrosion war dank Zitronensäureanteil im Bad verschwunden.
Beide Kerzen sind gleich alt (50.000 km), die eine wurde hinterher per Ultraschall gereinigt.
Der Abbau des Zylinderkopfes beginnt mit dem Ausbau des Steuerkettenspanners, der Nockenwellenlager und der Nockenwellen. Optisch waren alle Teile in sehr gutem Zustand, die Lager wiesen sichtbare Laufspuren, aber keine Riefen auf und die Nockenwellen waren maßhaltig. Weder die Lagerstellen noch die Nocken selbst zeigten Verschleiß oder Ausbrüche. Spuren zeigten dagegen die Ventilshims, die bei der CB ja zwischen Tassenstößel und Ventilschaft liegen. Hier hatten die Ventilschäfte sich leicht in die winzigen Shims eingearbeitet. Unter Umständen ergibt sich dadurch minimal größeres Spiel als bei identischen neuen Shims, was man beim Wechsel berücksichtigen muss. Unschön: einer der Shims war schon einmal umgekehrt montiert gewesen. Da die Größe als dreistellige Zahl in die Oberfläche geätzt wird (z.B. 195 für 1,95 mm), war diese Angabe durch den Abdruck des Ventilschaftes nicht mehr lesbar. Man müsste also erst den Wert per Mikrometerschraube ermitteln, um zu erfahren, welchen neuen Shim man im Bedarfsfall braucht.
Shims mit deutlichem „Abdruck“ des Ventilschaftes. Kennzeichnung der Dicke beim umgedrehten Shim wegradiert.
Auch wenn es so aussieht: das sind keine Risse, sondern Spuren vom Guss!
Den Zustand der Ventilschaftdichtungen und –führungen konnten wir nicht beurteilen. Der moderate (und weiche) Ölkohlebelag auf den Kolbenböden lässt aber nicht auf erhöhten Ölverbrauch schließen. Auch die Ventile zeigten mäßigen Ölkohleansatz, der aber im Ultraschallbad sofort verschwand. Ihre Schäfte waren innerhalb der Einbautoleranz. Die Breite der Ventilsitze lag mit etwa 1,5 Millimetern an der Verschleißgrenze. Beim Abbau des Zylinderkopfes benötigt man eine schlanke 14er Nuss oder einen Steckschlüssel. Das vergleichsweise hohe Anzugsmoment der Schrauben (47 Nm) erfordert aber stabiles Werkzeug –ein ¼“-Adapter und ein Rohrsteckschlüssel blieben auf der Strecke. Ideal ist eine Stecknuss 3/8“ mit langem Hebelarm.
Leichte Ölkohle in den Brennräumen, Ventilsitze etwas verbreitert
Eine Etage tiefer, Kolben und Zylinder: Bis auf erhöhtes Höhenspiel der drei Kolbenringe ist alles in bester Ordnung. Kolben und Zylinder sind vollkommen frei von Laufspuren. Die dunklen Verbrennungsspuren finden sich allerdings nicht nur am Feuersteg, sondern stellenweise auch zwischen den Kolbenringen. Obwohl das Stoßspiel der Kolbenringe wie auch der Zylinderdurchmesser völlig in Ordnung sind, könnte das auf nicht ganz optimale Abdichtung hindeuten.
Am Kurbelgehäuse und dessen Anbauteilen fiel zunächst auf, dass einzelne Schrauben sehr stark korrodiert waren. Konkret betraf das die untere Befestigungsschraube der Wasserpumpe und die vordere des Kupplungsdeckels. Die Schraubenköpfe waren nicht stärker verrostet als die benachbarter Schrauben –merkwürdig. Letztlich ließen sich aber sämtliche Schrauben problemlos lösen.
Untere Schraube stark korrodiert, obere einwandfrei.
Nach Abnehmen der Ölwanne sah man, dass der Motor blitzsauber war. Nur geringe Mengen Restöl waren in der Wanne und ließen sich mit einem Tuch abwischen. Weder Metallspäne noch Ölschlamm waren zu sehen, auch Dichtmittelreste fanden sich nicht. Das Ansaugsieb der Ölpumpe war ohne Verschutzung. Für diese Laufleistung wirklich erstaunlich.
Makellos: Getriebe
Das Getriebe war absolut ohne Beanstandungen. Sämtliche Zahnräder waren im Neuzustand, es gab weder Ausbrüche (Pitting) noch Abnutzung der seitlichen Klauen. Das Gleiche gilt für Schaltwalze und Schaltgabeln. Alle Lager liefen leichtgängig und im Motorgehäuse waren nur minimale Spuren von mitdrehenden Lagern zu sehen. Häufig sieht man bei älteren Motoren, dass sich das hoch beanspruchte Getriebeausgangslager in das Gehäuse eingearbeitet hat oder defekt ist –hier nicht. Offenbar wurde die Kettenspannung vom Vorbesitzer nicht übertrieben. Zu stramme Spannung kann dieses Lager sehr übel nehmen.
Die Kupplung zeigte nur in zwei Bereichen Nutzungsspuren: die Reiblamellen hatten sich mit ihren Mitnehmern in den Kupplungskorb, die Stahllamellen mit ihren Zähnen leicht in die Nabe eingeschlagen. Das ist völlig normal, schreitet dieser Vorgang weiter fort, bleiben allerdings irgendwann die Lamellen an den Kanten dieser Marken hängen und die Kupplung trennt schlecht. Beim derzeitigen Verschleißbild dürfte das aber noch in weiter Ferne liegen, zumal die verdichteten Stellen weiterem Verschleiß entgegenwirken, der Prozess sich also eher verlangsamt. Die Lamellen selbst hatten hingegen nicht nur Neumaß, sondern waren auch, was die Stahllamellen angeht, frei von hitzebedingten Verfärbungen. Das Schliffbild von der Fertigung war noch einwandfrei sichtbar und Verzug fand sich ebenfalls nicht. Da es im Forum immer mal Vermutungen gab, ein teilweise hörbares Klappern im Leerlauf könne durch einen ausgeschlagenen Kupplungskorb kommen, untersuchten wir das Teil besonders gründlich –und fanden keinerlei Indizien dafür. Dafür kämen gelöste Nieten zwischen Stahl- und Leichtmetallteil infrage, die hier aber –und damit vermutlich auch an anderen Motoren- keinerlei Spiel aufwiesen. Allerdings haben wir, was wir später bereuten, nicht gemessen, welches Spiel die Ruckdämpferfedern im Korb hatten. Auch das wäre eine denkbare Ursache.
Ohne jede Beanstandung fiel auch die Prüfung der Ölpumpe und ihrer Antriebskette aus. Die Rotoren wie neu, nur sehr geringe, zu vernachlässigende Anlaufspuren der Rotoren am Gehäuse. Auf der gegenüberliegenden Seite gilt das Gleiche für den Anlasserfreilauf und die Zahnräder, über die der Anlasser den Motor antreibt. Die auf dem Kurbelwellenstumpf sitzende Lichtmaschine zeigte ebenfalls keine Mängel.
Die Steuerkette konnte mangels Verschleißangaben nur optisch überprüft werden. Ihre Spannschiene war in sehr gutem Zustand und wenn wir ihre Laufleistung nicht gekannt hätten, hätten wir wohl auch zehn- statt hundertausend Kilometer geglaubt.
Geringe Laufspuren, die keinesfalls einen Austausch nahe legen: Kettenspannerschiene
Kaum Verschleiß: Kurbelwelle
Erst der Ausbau der Kurbelwelle ergab per Sichtprüfung Verschleiß. Beide Pleuellager zeigten in ihrer 12 Uhr-Position, in der der volle Verbrennungsdruck auf ihnen lastet, eine etwas abgenutze Beschichtung. War dies bei einer der Lagerschalen nur eine etwas „polierte“ Stelle in der mattgrauen Tragschicht, guckte beim zweiten Lager bereits zaghaft die bronzene Notlaufschicht hindurch. Der Bereich, in dem das der Fall war, ist mit etwa 2×4 mm noch klein, würde sich aber im im Lauf der Zeit vergrößern und vermutlich innerhalb der nächsten 30-40.000 km Handlungsbedarf ergeben. Obwohl die Lagerspielmessung mit Plastigauge keine Beanstandung ergab, lag unsere Messung des Hubzapfendurchmessers 2/100 mm außerhalb der Einbautoleranz, die übrigens nicht im Werkstatthandbuch der CB500, sondern in dem der CBF500 verzeichnet ist. Eine Angabe des Verschleißmaßes findet sich dort leider nicht. Rein optisch war allerdings keine Riefenbildung zu erkennen, so dass wir keinen Handlungsbedarf sehen.
Die rechte Pleuellagerschale zeigt eine beginnende Auswaschung. Unter der Tragschicht erkennt man die bronzene Notlaufschicht.
Wir hätten, da der Motor schon offen ist, für einen erneuten Zusammenbau (den wir nicht planen) lediglich die Pleuellagerschalen selbst getauscht –gegebenenfalls gegen Untermaßlagerschalen. Die Hauptlager des Motors zeigten sich dagegen von ihrer besten Seite und man hätte sie vermutlich nur im Zuge einer ohnehin fälligen Überholung der Pleuellager mitgetauscht, wobei alle Lager zusammen bei etwa 120 Euro liegen. Ebenfalls nur, weil der Motor ohnehin geöffnet war, würde man die Ventile einschleifen, und schlussendlich würde der Zusammenbau neue Dichtungen erfordern.
Alles in allem ein sicherlich überschaubarer Aufwand für einen Motor, der über 100.000 Kilometer zuverlässig lief.
Anmerkung:
Nicht für alle Messungen standen uns die nötigen, ablesegenauen Messwerkzeuge zur Verfügung. Werte, die wir nicht ermitteln konnten, sind nicht angegeben. Umgekehrt standen für einige Werte zwar Einbaumaße, aber keine Verschleißgrenzen zur Verfügung.
Eure „Drei von der Tankstelle“
Gisbert, Chris, Micha
Och.. der schöne Motor. Einer der wenigen, die das Moped laut Tacho auch auf 210 km/h gebracht haben. Der hatte doch mal gerade 100.000 runter, sowas zerlegt man doch nicht. Getauscht wurde daran außer Öl und Zündkerzen garnichts. Ich hatte das Moped mit knapp 19.000 übernommen gehabt, da waren frische Zündkerzen drin. Ich hab ihm dann bei ~50.000 die Iridiums gegönnt. Ansonsten wurde bei ~76.000 einmal das Ventilspiel gecheckt (ohne Auffälligkeiten, alles in der Toleranz und noch nicht an den Grenzen). Ich bin der Meinung, das viele Motoren einfach kaputt gewartet werden. Ansonsten hat er nur sehr regelmäßig und laut Plan frisches Öl und Filter bekommen. Gefahren habe ich den Motor in allen Drehzahlbereichen, und wie dir die Bemerkung mit der Endgeschwindigkeit sagt, habe ich ihn auch manchmal die „freien“ 26 Km auf der täglichen Strecke von Hamburg nach Hause ordentlich arbeiten lassen. Im „normalen“ Tagesbetrieb, war ich aber eher nicht der Ampelsprinter und habe im Normalfall auch bei spätestens 10.000 upm geschaltet. In den Begrenzer habe ich ihn nur mal gezogen, wenn ich auf der Landstraße mehrere Überholvorgänge hatte. Ansonsten wurde er immer ordentlich warm gefahren, das heißt, die ersten 5 Kilometer soweit vermeidbar nicht über 6000 upm und insgesamt keine Strecken unter 10 Kilometer.